Themen
Kleines Lexikon der Innenarchitektur

Entwurf

Eine Geschichte, die erzählt werden will …

Ein guter Entwurf mit der zündenden Idee steht am Anfang einer jeden Raumgestaltung und will gründlich erarbeitet werden.

Ein bestehender Raum entspricht nicht mehr den Vorstellungen des Nutzers, wirkt unvorteilhaft oder nicht mehr zeitgemäß und soll durch einen Umbau oder eine Renovierung in ein neues Gewand gehüllt werden. Oder aber dieser Raum existiert noch gar nicht und soll im Rahmen eines Neubaus erst entstehen.

In beiden Fällen geht es darum, zum einen die Funktion des Raumes optimal nutzbar zu machen. Zum anderen soll der Raum aber auch eine positive Wirkung ausstrahlen. Dies setzt voraus, dass der Raum nicht einfach nur willkürlich möbliert oder mit Einbauten und Farben versehen wird, sondern dass zuvor ein Thema – eine Geschichte – entwickelt wird, die der Raum später einmal erzählt.

Selbst der nicht eingeweihte Besucher spürt, dass ein derart gestalteter Raum stimmig und angenehm wirkt. In der Regel kann er aber nicht konkret sagen, warum dies so ist, und das wiederum sollte das Ziel einer perfekten Gestaltung sein.

Zu Beginn des Entwurfes steht eine detaillierte Analyse des Bestandes: Welche Strukturen weist der Raum auf: Ist er schmal und lang oder eher quadratisch geschnitten? Gibt es ablesbare Zonen, vielleicht sogar Symmetrien, oder ist der Raum völlig asymmetrisch aufgeteilt? Gibt es zentrale Hauptbereiche, während andere Bereiche eher untergeordnet am Rand erscheinen? Wie sieht die natürliche Belichtungssituation aus? Gibt es auf mehreren Raumseiten Fenster, oder erfolgt der Lichteinfall ausschließlich von einer Seite? …

Schnell wird sich herausstellen, dass der Raum sowohl positive, als auch negative Aspekte aufweist. Die zu entwickelnde Entwurfsidee soll dann das Positive, Einzigartige und Besondere des Raumes – den Genius loci –herausarbeiten und unterstreichen. Genauso soll sie negative Eigenschaften entschärfen und den Focus davon ablenken.

Die Geschichte, die es zu erfinden gilt, wird dann von den einzelnen Gestaltungskomponenten erzählt. Dabei kann sich ein roter Faden in Form von zitatweise wiederkehrenden Farben oder Materialien durch den Entwurf ziehen. Dies darf nur bewusst dosiert und nicht zu plakativ erfolgen, damit positive Spannung erzeugt und beibehalten wird.

Die Grundidee kann z.B. durch das Farbkonzept transportiert werden. So können durch Farbe Raumzonen gebildet und einzelne Bereiche von anderen abgrenzt werden, wie in den oben gezeigten Bildbeispielen: Zwei grüne Farbwinkel an den Wänden umfassen das Ladenbüro und präsentieren seine gesamte Grundfläche zum Schaufenster hin. Ein weiterer orangefarbener Farbwinkel in Wand und Decke überspannt den Besprechungsbereich und markiert dessen besondere Position auf dieser Grundfläche. Das Ineinandergreifen der Farbflächen wird durch die Regaleinbauten und das Beleuchtungskonzept unterstützt. Der Raum erfährt somit eine eindeutige Zonierung und Definition, die ihn für den Besucher leicht lesbar und damit angenehm erscheinen lassen.

Andere Entwürfe machen sich das scheinbar Unvorteilhafte des Raumes zu Eigen und thematisieren die auf den ersten Blick negativen Aspekte, so dass sie zum tragenden Thema des Entwurfes werden und ihre Eigenschaft ins Positive wechseln. So kann eine konstruktiv notwendige Stütze im Raum durch weitere Stützen ergänzt werden und dadurch wie selbstverständlich wirken. Ein solches Vorgehen ist natürlich nur im Einzelfall möglich, wenn die Entwurfsidee dies zulässt.

Diese Grundsätze lassen sich auf private wie auf gewerbliche Räume anwenden. Die Differenzierung erfolgt in der konkreten Auswahl von Farbe, Form und Material und in der Aussage, die transportiert werden soll: z.B. Aufmerksamkeit erwecken oder eher beruhigende Zurückhaltung ausstrahlen, Repräsentieren oder Wohlgefühl erzeugen.

Schließlich geht es um die Identifikation des Nutzers mit seinem Raum. Ein guter Entwurf setzt voraus, dass der Nutzer eine Begeisterung für das Entwurfskonzept entwickelt. Er soll seinen Raum verstehen und wissen, warum bestimmte Gestaltungsaspekte zum Einsatz gekommen sind. Er soll um die Besonderheit seines Raumes wissen. Wenn auch der Nutzer für die Geschichte seines Raumes brennt, kann diese stimmig und vollständig erzählt werden …