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Kleines Lexikon der Innenarchitektur

Von wegen kleinkariert!

Fliesen bis unter die Decke gehören der Vergangenheit an. Mit natürlichen Materialien, warmen Farben und einer stimmigen Raumaufteilung schaut das moderne Bad über den herkömmlichen Wannenrand hinaus!

Kein Raum hat in den vergangenen 60 Jahren eine solch rasante Entwicklung durchlebt wie das Badezimmer. Mit dem aufblühenden Wirtschaftswunder kam für viele Normalsterbliche die Frage nach einem eigenen Bad überhaupt erst in den Fünfzigerjahren auf.  Davor schrubbte man sich in einem Zuber in der Küche oder hatte in großen Städten die Möglichkeit, ein öffentliches Volksbad zu besuchen. In Mietkasernen teilten sich die Bewohner ihre Sanitärenanlagen oft auf halber Treppe. Sicher, auch Wohnzimmer, Küchen, Schlafzimmer und Kinderzimmer haben sich stilistisch verändert, doch das eigene Bad galt lange als Luxusartikel und somit als unerreichbar. Umso verbissener startete der Neuling der bürgerlichen Wohnwelt seine Aufholjagd: von der Nasszelle zum persönlichen Spa-Bereich. Das Bad hat sich vom reinen Nutzraum in einen Wohnraum verwandelt – in einen Lebensraum, in dem Wasser, Körper, Reinigung und Entspannung zelebriert werden.

Gerade bei der Planung oder dem Umbau des eigenen Bades gilt es daher, auch neue Wege zu beschreiten. Früher oft kleinkariert bis unter die Decke gefliest, meist weiß und mit billigen Oberflächen versehen, erfüllte ein Bad rein praktische Vorgaben. Waschbecken und Toilette hingen oft unmotiviert an den Wänden, notdürftig wurde irgendwo Stauraum geschaffen. Das Bad sei zu klein und zu eng, um Charme zu versprühen, heißt es oft. Eine geschickte Planung kann jedoch auch auf einer kleinen Quadratmeterzahl den Traum vom eigenen Wohlfühlbad erfüllen.

Das Geheimnis liegt in der Gleichberechtigung des Badezimmers. Wie in einem Wohnzimmer gilt es auch hier, über Gestaltungskriterien wie Farben, Licht, Raumaufteilung und geschickte Materialauswahl nachzudenken – diese müssen nicht immer teuer sein.  Jedes Bad versammelt funktionale Zonen wie Baden, Duschen, WC, Waschen oder Aufbewahren. Diese Zonen sollten harmonisch miteinander verbunden werden und nicht für sich alleine stehen. Nur ein ausbalancierter Dialog schafft einen Raum, in dem man sich gerne aufhält. Die einzelnen Sanitärobjekte sollten nicht nur aneinandergereiht werden, sie müssen vielmehr ihrem Ort zugeteilt werden und erhalten so einen eindeutigen Platz, an dem sie wie selbstverständlich erscheinen.

Eine erfolgreiche Badplanung schaut über den herkömmlichen Wannenrand hinaus. Die Dusche muss nicht immer in eine Ecke verbannt werden, und auch eine Wanne kann frei im Raum stehen. Sicher fordern diese Varianten eine gewisse Raumgröße, doch vor allem fordern sie ein einfaches Umdenken. Eine großformatige Regendusche vielleicht sogar als Lichtdusche mit integrierten Leuchtkörpern ersetzt die Brause an der üblichen Duschstange, macht das Duschen zum Erlebnis und lässt das Bad gleich mondäner wirken. Für das schnelle Abduschen wird eine zusätzliche Handdusche angebracht. Der Duschbereich an sich kann bodengleich und mit den gleichen Bodenfliesen wie das übrige Bad ausgestattet sein. Im Neubau wird ein Ablauf gleich in der Bodenkonstruktion beispielsweise in Form einer unauffälligen Rinne geplant. Ist dies in einem bestehenden Bad nicht möglich, kann heute mit besonders flachen Duschwannen und einer minimalen Unterkonstruktion ebenfalls ein niedriger Einstieg in die Duschkabine ermöglicht werden. Duschwände werden schlicht in Ganzglas und rahmenlos mit minimalen Konstruktionselementen ausgeführt.

Einzelne an der Wand hängende Waschbecken mit Standarmaturen werden durch Waschtische mit Aufsatz- oder Einbaubecken ersetzt. Durch den dazugehörenden Unterschrank erhält der Raum eine wohnliche Note. Eine schlichte Wandarmatur wird zum stilvollen Blickfang.

Als verbindendes Element im Raum können die Fliesen wirken. Diese zeigen heute oftmals als Feinsteinzeug sehr natürliche und warme Oberflächen und sollten so großformatig wie möglich gewählt werden. Heute sind Großformate von 120 x 60 cm durchaus üblich. Selbst ein kleiner Raum wirkt dadurch viel großzügiger, auch wenn eine so große Fliese maximal ein oder zweimal in den Raum passt. Der Fliesenspiegel kann zur Spielregel für den Raumentwurf werden und sollte nicht allein dem Fliesenleger überlassen bleiben. Ein Fliesenplan muss her! Fliesen prägen den Raumeindruck und sollten nicht ausschließlich zur Wand- und Bodenabdeckung dienen. In einem modernen Bad prangen sie nur dort, wo sie wirklich mit Wasser in Berührung kommen, oder wo sie für die Raumgestaltung wichtig sind. Die übrigen Wände und Böden können durchaus mit atmungsaktiven Putzoberflächen oder auch Holz gestaltet werden. In einem feuchten Ambiente dehnt sich Massivholz immer wieder aus und zieht sich beim Trocknen zusammen. Deshalb ist es hier besser, Echtholz als Furnier auf einem Trägermaterial einzusetzen. Bei einer normalen natürlichen oder auch künstlichen Belüftung spricht nichts dagegen.

Holz ist ein wertiges und natürliches Material. Sowohl optisch als auch haptisch verbreitet es ein Gefühl von Authentizität. Im Zuge der allgemeinen Wellnesbewegung entfernen sich auch private Bäder immer mehr von künstlichem Styling mit flippigen Accessoires und abstrakten Fliesenbildern, bunt gesprenkelten Steinen oder Motiven. Je schlichter und einfacher die Formen, umso großzügiger und luxuriöser wirkt das Bad. Der Trend geht zur gelebten Natürlichkeit. Dies ist bei der Wahl von Material, Farbe und Licht im Bad der wichtigste Faktor. Denn wirkt der Raum natürlich, fühlen wir uns automatisch wohl darin. Barfuss auf einer angerauhten Bodenfliese zu gehen, erinnert an einen Spaziergang durch den Garten. Das Auge auf warme Töne zu richten statt auf grelle Farben wie in den Siebziegerjahren, entspannt das Auge (siehe Blogg Farbe). Auch auf die üblichen schreifarbenen Bad-Vorleger gilt es zu verzichten. Stattdessen lassen sich aus vielen geeigneten Teppichbodenprodukten Maßteppiche in der gewünschten warmen Farbe anfertigen.

Lichtstimmungen gehen auf unterschiedliche Nutzungsmomente ein: indirekte Stimmungsbeleuchtung im Wannenbereich, direktes Licht von oben und von vorne am Spiegel (siehe Blogg Licht). Gerade im Bad ist das Warm-Kalt-Empfinden extrem, da sich Menschen hier meist unbekleidet aufhalten.  Der Körper muss deshalb gut gewärmt sein, eine angenehme Temperatur schafft eine angenehme Atmosphäre. Heizkörper können geschickt als Handtuchhalter fungieren oder als Fußbodenheizung, auch in älteren Bädern mit wenig Aufbauhöhe in Form elektrischer Matten einfach unter den Fliesen ins Mörtelbett eingelassen werden.

Um den Gleichklang nicht zu stören, sollten Accessoires wie Haken, Handtuch- oder Papierhalter, Seifenspender, WC-Bürstenhalter, etc. auf die Armaturen abgestimmt sein. Sitzmöglichkeiten zum An- und Ausziehen oder zum Eincremen sowie eine Wäschetruhe sollten in das Gesamtkonzept integriert werden, müssen nicht als Solitär nur einfach dastehen, sondern können eingebaut sein. Kleiner Raum bedeutet nicht gleich kleiner Schrank und kleine Formate. Das Gegenteil ist der Fall. Auch ein Spiegel kann gerne eine ganze Wand bedecken und muss nicht immer nur 60 auf 60 Zentimeter groß sein. Die Raumoptik erscheint dadurch wesentlich großzügiger. Hinter einem großformatigen Spiegel lässt sich ein Einbauschrank mit geringer Tiefe verstecken. Darin verschwinden Töpfchen und Tiegelchen, zahlreiche Utensilien und die elektrische Zahnbürste samt der nötigen Elektroanschlüsse. Auch für den notwendigen Stauraum unter den Waschtischen empfehlen sich Einbauten, da sie den Platz optimal nutzen. Hier kann der Föhn gleich in angeschlossenen Zustand in einer Schublade unterkommen. Denn ein aufgeräumtes Bad wirkt gleich viel entspannender als eines mit Tischen und Boarden, auf denen es von Dosen und Tuben nur so wimmelt!