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Kleines Lexikon der Innenarchitektur

Baustelle

Ein Kosmos für sich …

Der reibungslose Ablauf einer Baustelle setzt einen detaillierten Ablaufplan und eine fachkundige Bauleitung voraus.

Wie lange dauert die geplante Baumaßnahme? Wann kann sie beginnen, und wann wird sie abgeschlossen sein? Kann die Familienfeier bereits im umgebauten Wohnraum stattfinden? Wird das neue Büro oder Ladengeschäft pünktlich eröffnet?

Diese und ähnliche Fragen werden regelmäßig im Vorfeld eines geplanten Neu- oder Umbauvorhabens von den Bauherren gestellt. Während es in manchen Projekten keinen konkreten Zeitzwang gibt, steht bei anderen eine Deadline im Raum, zu der die Arbeiten verbindlich angeschlossen sein müssen: Beispielsweise muss die neue Wohnung zum Stichtag bezugsfertig sein, weil die alte Wohnung gekündigt wurde, oder die Büroerweitung muss fertig gestellt sein, weil zu einem bestimmten Tag neue Mitarbeiter eingestellt wurden.

Um dieses Ziel zu erreichen, müssen vor Beginn der Bauarbeiten alle einzelnen Arbeitsabläufe der beteiligten Gewerke genau aufeinander abgestimmt werden. Je nach Art und Umfang eines Bauvorhabens sind dabei unterschiedlichste Handwerkerleistungen zu berücksichtigen:

Für die Rohbauphase sind hier besonders Abbrucharbeiten, Maurer- und Putzarbeiten aber auch Dachdecker-, Zimmerer- und Bauschreinerarbeiten sowie Dämm- und Isolierungsarbeiten zu nennen. Gefolgt werden diese von den haustechnischen Gewerken wie Heizungs-, Lüftungs-, Sanitär- und Elektroarbeiten. Im Innausbau kommen dann Gewerke wie Trockenbau-, Metallbau- und Estricharbeiten, Fliesen-, Parkett- und andere Bodenbelagsarbeiten sowie Maler-, Stuckateur-, Möbelschreiner- und Glaserarbeiten zum Zuge. Schließlich folgen noch Reinigungs- sowie Raumausstatter- und Dekorationsleistungen.

Die Reihenfolge der Arbeiten wird in einem Ablaufdiagramm, dem Bauzeitenplan festgelegt. Hier gilt es, die Gewerke so zu koordinieren, dass sie reibungslos nacheinander oder auch parallel ausgeführt werden können, ohne sich gegenseitig zu behindern und ohne größere Leerlaufzeiten entstehen zu lassen. Dabei muss mit den einzelnen Gewerken genau abgestimmt werden, wie viel Zeit sie für ihre Leistung benötigen, ob Trocknungszeiten zu berücksichtigen sind oder ob die Arbeiten beispielsweise jahreszeitbedingt ausführbar sind.

Es gilt, den Bauzeitenplan mit gewissen Pufferzeiten so realistisch zu kalkulieren, dass die einzelnen Handwerksbetriebe in der Lage sind, die benötigten Materialien zu bestellen, Vorbereitungen zu treffen und die benötigten Kapazitäten für die Baustelle bereitzustellen. Auch ist zu beurteilen, welche Vorarbeiten durch bestimmte Gewerke erfolgt sein müssen, damit anschließende Gewerke darauf aufbauen können.

In der Regel wird der Bauzeitenplan dann vertraglicher Bestandteil bei der Auftragsvergabe, damit gewährleistet ist, dass sich alle beteiligten Betriebe daran halten und die benötigten Leistungen im richtigen Moment zur Verfügung stellen.

Hat die Baustelle einmal begonnen, ist es notwendig, dass der Architekt durch eine fachkundige Bauleitung sicherstellt, dass die vorgesehenen Zeiten minutiös eingehalten werden. Schließlich haben Zeitverzögerungen eines Gewerkes zur Folge, dass in der Regel auch die nachfolgenden Arbeiten erst verspätet begonnen und abgeschlossen werden können.

Allerdings ist immer damit zu rechnen, dass erst während des Bauablaufs Probleme auftauchen, die vor Baubeginn nicht erkennbar waren, und die den Bauablauf ebenfalls verzögern können. Z.B. kann sich eine Wand, in der ein Durchbruch benötigt wird, und die in den Bestandsplänen als Mauerwerkswand dargestellt war, erst im Zuge der Abbrucharbeiten als Stahlbetonwand entpuppen. Anstatt einfacher Durchbrucharbeiten muss nun eine kosten- und zeitaufwändige Kernbohrung vorgenommen werden, um die gewünschte Wandöffnung zu erstellen.

In diesen Fällen muss der Bauleiter spontan reagieren und einen alternativem Ablauf entwickeln können, damit der Fertigstellungstermin der Baustelle gewahrt bleibt. Hier gilt es dann, im Rahmen des Möglichen einzelne Gewerke vorzuziehen, die eigentlich erst später vorgesehen waren, um Zeit einzusparen und die Verzögerung ggf. sogar aufzuholen.

Neben der zeitlichen Kontrolle muss der Bauleiter bei seinen regelmäßigen Besuchen auf der Baustelle ebenfalls überprüfen, dass jedes Gewerk seine Leistung in der gewünschten Qualität und technisch einwandfrei erbringt, damit gewährleistet ist, dass sich keine Fehler einschleichen, die die Leistung eines späteren Gewerkes negativ beeinflussen können. Beispielsweise ist zu kontrollieren, ob die festgelegten Aufbauhöhen des Fußbodens durch die Estrich- und Bodenverlegearbeiten eingehalten wurden, weil der Schreiner bereits raumhohe Einbaumöbel nach den vorgesehenen Maßen fertigt.

Auch die Qualität ist bereits während des Bauablaufes zu bewerten, da es sehr aufwändig sein kann, eine erst später als fehlerhaft erkannte Leistung nachzubessern, wenn bereits nachfolgende Gewerke tätig waren.

Dies ist dann nicht zuletzt auch ein Aspekt der Gewährleistung, wenn z.B. die Frage im Raum steht, wer einen bestimmten Fehler verursacht hat: Hat der Parkettverleger bereits fehlerhafte Holzdielen eingebaut, oder sind die Macken in der Oberfläche erst durch den Schreiner verursacht worden, der auf diesem Bodenbelag seine Schrankwand eingebaut hat?

Aus diesem Grund erfolgt nach Fertigstellung der einzelnen Arbeiten eines jeden Gewerkes eine Abnahme der erbrachten Leistungen. Ein Abnahmeprotokoll bestätigt, dass die Arbeiten mängelfrei ausgeführt wurden, oder legt fest, dass noch bestimmte Mängel bestehen, die es nachzubessern gilt. Schließlich fixiert es den Zeitpunkt, zu dem die Gewährleistung des Handwerkers beginnt und zu dem sie endet.

Zu guter Letzt ist es auch Aufgabe der Bauleitung, die Rechnungen der einzelnen am Bau tätig gewesenen Handwerksbetriebe zu prüfen, bevor sie von den Bauherren bezahlt werden. Hier muss klar sein, ob die beauftragten und abgerechneten Leistungen in der gewünschten und vereinbarten Form fehlerfrei erbracht wurden. Ist dies nicht der Fall, müssen entsprechende Korrekturen in der Rechnung vorgenommen werden.

Ist die Baustelle dann pünktlich abgeschlossen und ein überzeugendes Ergebnis gelungen, so hat der Baustellenkosmos funktioniert, die Gewerke haben dann im Idealfall planmäßig aufeinander aufgebaut und sich gegenseitig ergänzt.